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Josef Zotter im Interview

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  • Josef Zotter im Interview

    Ein Interview von Busniessart mit Josef Zotter

    Josef Zotter, Zotter Schokolade

    "Regionalität ist die Vorstufe von Protektionismus. Ich glaube, da müssen wir sehr aufpassen, dass wir nicht plötzlich zu „regional“ denken und einen Stacheldraht um unser Hirn wickeln, überall Mauern bauen, Zäune spannen und die Grenzen bewaffnet sichern."

    BUSINESSART: Du bist 2010 zum Nachhaltigen Gestalter Österreichs gewählt worden. Wie war das damals?

    Josef Zotter: Tja...damals...hat es uns sehr geholfen weil wir mit unseren Ideen und Visionen plötzlich in der Öko-Szene bekannt geworden sind. Da war gerade eine Durchbruchstimmung...ähnlich der jetzigen Klimawandel Diskussion. Es war noch nicht ganz da, aber schon sehr weit. Vor allem hat uns die Auszeichnung auch am Weg gehalten …wenn man so sagen darf. Man ist ja oft verzweifelt, wenn man nicht weiß, ob das was du tust, auch richtig ist.

    Was hat sich in den letzten 10 Jahren in deinem Unternehmen getan?

    10 Jahre ist eine lange Zeit – da weiß ich gar nicht mehr alles. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, jedes Jahr zu investieren wenn es wirtschaftlich erträglich ist. Die Chocolaterie ist schöner und produktiver geworden. Wir haben ein gratis Bio Essen und einen Ferien-Kindergarten für die Mitarbeiter*innen eingeführt, was die Zufriedenheit enorm erhöht hat. Die Besucherströme sind von damals rund 150.000 auf derzeit etwa 270 000 Besucher gestiegen. Der Essbare Tiergarten wird jetzt auch verstanden…und alle Tiere verspeist.

    Worauf bist du stolz?

    Was wirklich auffällt, dass wir davor so sprunghafte Wachstumsphasen hatten, was natürlich auch gut war. Aber in den letzten 10 Jahren haben wir ein „gesundes“ Wachstum, wie man es in der Natur auch sehen kann. Es hat sich eingependelt, wir können beruhigt schlafen und uns immer wieder ein wenig verbessern. Wir setzen ja mehr in Qualität als auf Quantität.

    An Hand von Fotos sehe ich auch, dass sich unsere Bio Landwirtschaft zur echten Cash-Cow (wir züchten ja Rinder) entwickelt hat. Wir haben aus rund 80 ha konventioneller Landwirtschaft eine Bio Landwirtschaft gemacht. Am Anfang, mit dem Rückbau sozusagen, mussten wir echte Investitionen tätigen und hatten fast keine Erträge. Aber die letzten Jahre ist die Bio Diversität wieder intakt und wir brauchen nur noch ernten (lacht) und pflegen natürlich. Es war mein großes Ziel, dass Bio-Landwirtschaft eines Tages mehr Ertrag bringt als jede konventionelle. Der Beweis ist „fast“ gelungen.

    Die Chocolaterie haben wir schon Jahre vorher auf Bio und fairen Handel umgestellt. Es gibt mehr als 500 Schokokreationen. Einige liegen im Ideenfriedhof aber viele wie „Bergl statt Ibiza“ sind ein echter Erfolg geworden. So können wir mit unseren Schokoladen auch Politik und Kabarett machen.

    Wir konnten in der Zwischenzeit den Kakaotransport aus Südamerika ein wenig verbessern: Teilweise wird der Kakao mit dem Segelschiff über den Atlantik transportiert – ein Anfang ist auch da gemacht.

    Wie siehst du die gesellschaftliche Entwicklung?

    Du meine Güte! Den alten Zotter darf man sowas nicht fragen. Der hat in der Zwischenzeit viel Erfahrung, büßt seine Kreativität immer mehr ein, und weiß natürlich alles besser.

    Ich erinnere mich zurück wie ich als Jugendlicher solche Sätze wie „früher war alles besser“ geliebt habe (lacht). Gleichzeitig dachte ich: „Jeder über 50-Jährige ist sowieso kurz vor dem Sterben – also keine Gefahr.“

    Nein, ich denke, wir haben eine gute Entwicklung. Die ganz „Jungen“ machen mir echt Freude – die spüren die Veränderung.

    Echt kritisch sehe ich, dass wir langsam unsere Freiheit verlieren. Mir kommt vor, dass immer mehr geregelt wird. Der Staat wird zur Hyäne und frisst immer mehr unnötiges, betoniert und asphaltiert unser Land zu und die Wohnungen stehen leer. Immer mehr Evaluierer und Gleichmacher umgeben uns, vieles wird geregelt – nur das Leben macht weniger Spaß. Auch weil Reisen als Ausgleich im Moment auch nicht super ist.

    Abgesehen davon, dass man immer mehr Menschen Smart City vorgaukelt: Nur weil in einer Betonblocksiedlung mit 3.000 Wohnungen 150m² Urban Gardening und ein Kindergarten installiert werden und in der Nacht die Leute Netflix-Serien schauen können und so bei Laune gehalten werden. Brot und Spiele waren immer gefährlich – sie gehen eine Zeitlang gut – aber dann?

    Wenn bei uns einmal die Energie ausfällt, gibt es innerhalb von drei bis vier Wochen eine Hungersnot, denn wer hat den noch 20 kg Erdäpfeln und 5 kg Reis und 70 Euro im Sparschwein? Noch schlimmer finde ich, dass auf den Landwirtschaften mittlerweile Riesen-Traktoren fahren, teilweise autonom. Man sieht kaum noch jemanden in der Landwirtschaft arbeiten. Wenn da die Energie ausgeht – wer soll denn das auf die Schnelle händisch bearbeiten, am Laufen halten und alle urbanen Leute ernähren, die nicht einmal mehr wissen, wo die Milch herkommt. Die Kinder lernen das ja nicht mehr, außer meine kleine/große Tochter in der Waldorfschule.

    Auch auf das auf Sparen wird völlig vergessen – man zieht den Leuten mit der niedrig Zinspolitik den letzten Euro aus dem Kopfpolster (Tasche), nur damit das Wirtschaftswachstum nicht abbricht.

    Aber irgendwann wird es abbrechen, und dann gibt es wenig bis keine Reserven. Ein paar haben zwar ganz viel, aber sie können es auch nicht brauchen, weil sie nicht mit sechs Löffeln essen können.

    Aber eigentlich ist es trotzdem super. „Wir kriegen das hin“ und „make Klimaschutz great again“ - beides von derzeitigen Präsidenten – nur der eine ist mir lieber.

    Wo liegen die nächsten großen Herausforderungen?

    Regionalität ist die Vorstufe von Protektionismus. Ich glaube, da müssen wir sehr aufpassen ,das wir nicht plötzlich zu „regional“ denken und einen Stacheldraht um unser Hirn wickeln, überall Mauern bauen, Zäune spannen und die Grenzen bewaffnet sichern. Der Klimawandel wird natürlich weitere Völkerwanderungen auslösen und man sollte jetzt schon entgegensteuern und mit den ärmeren Ländern echten Fairen Handel betreiben. Ein Wissensaustausch (wie geht Humusaufbau z.b ) wäre jetzt echt an der Zeit, statt Mauern zu bauen. Niemand verlässt freiwillig seine Heimat, außer es geht einem schlecht. So hoch und lang (Chinesische Mauer zb. ) kann eine Barriere gar nicht sein, dass man nicht irgendwann drübersteigt, wenn man Hunger hat.

    Schulden sind blöd.( auch ich war einmal Pleite ) und ewige Wirtschaftswachstumsfantasien sind noch blöder .

    Was möchtest Du jungen Menschen wie Friday for future mitgeben?

    Hört auf mit Luxussegelbooten zu Klimagipfel zu reisen oder mit Teslas um die Welt gleiten. Das glaubt euch keiner. Ihr könnt euch viel klimaneutraler verständigen – mit eurem Spielzeug, das auch in die Hosentasche passt.

    Und bitte gebt nicht auf, bleibt dran. Ihr seid kurz vor dem Durchbruch! Es werden „alle“ verstehen, dass wir nur diesen einen Planeten als Heimat haben . Es fährt ja auch niemand in die Hölle auf Urlaub.

    Noch was: Wir brauchen euch! Ihr müsst uns die Pension und unser Pflegepersonal zahlen wenn ihr eventuell keine Familie mehr haben wollt. Was auch Ok ist. Nur leider werden die Rumäninnen in Zukunft ein höheres Gehalt wollen. Also „an zahn“ – der Pflegebedarf wächst – mich zwickts schon (lacht).

    Quelle: Businessart
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