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Manifest zur Neuausrichtung der Landwirtschaft

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  • Manifest zur Neuausrichtung der Landwirtschaft

    Immer mehr Bäuerinnen und Bauern sehen in den Abhängigkeiten von der Politik, den großen Agrarkonzernen und dem Handel eine große Gefahr für eine positive Entwicklung der heimischen und internationalen Landwirtschaft. Nun haben sich die ersten Bauern zusammengeschlossen und gemeinsam mit Vertretern der Universität für Bodenkultur Wien und der Bio Forschung Austria ein “Manifest zur Neuausrichtung der Landwirtschaft” verfasst. Züchtungsmethoden, Tierhaltung, Pestizideinsatz und vor allem die Verantwortung des Konsumenten werden dabei kritisch betrachtet.

    Das Bauernmanifest im Wortlaut:

    “Die allgemeine und speziell die ökologische Situation der österreichischen Landwirtschaft ist vergleichsweise gut, doch der Weg führt in eine Sackgasse, daher wird es höchste Zeit, sich mit den Alternativen des bestehenden Landwirtschaftssystem zu beschäftigen. Für eine nachhaltige Zukunft der Landwirtschaft zum Wohle von Mensch, Tier, Pflanze, Boden und Wasser muss Folgendes in den Fokus rücken, ins Bewusstsein gebracht und schließlich in die Tat umgesetzt werden:

    Die Züchtungsmethoden bei Pflanze und Tier basieren immer mehr auf Hybridarten bzw. gentechnisch veränderten Organismen. Dadurch entsteht eine enorme Abhängigkeit der Landwirte von wenigen großen Züchtungsunternehmen. Der Trend in der Züchtung ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass die Vermehrungsfähigkeit für Saatgut und Tiere verloren geht und dem Landwirt die Möglichkeit eigenes Saatgut oder Zuchtvieh zu erhalten, abhanden kommt. Dies ist durchaus gewollt, damit der Landwirt auch jedes Jahr erneut Saatgut zukaufen muss. Der Bauer – dessen Berufsbezeichnung übrigens vom Wort “anbauen” kommt - verliert dadurch sein wichtigstes Produktionsmittel. Die Abhängigkeit der Landwirtschaft von den großen Saatgutproduzenten und Züchtungsunternehmen ist für die zukünftige, gedeihliche Neuausrichtung der Landwirtschaft hinderlich und sollte reduziert werden.

    Es gibt Züchtungsalternativen mit dem entscheidenden Vorteil, dass dann Saatgut und Zuchtvieh auch reproduzierbar und fertil gehalten werden. Diese müssten allerdings von der Gesellschaft durch Forschung, Preisgestaltung und Steuern gestützt werden, um auch ökonomisch konkurrenzfähig zu sein.

    Der Einsatz von Pestiziden muss auf seine Notwendigkeit oder auch Unerlässlichkeit im Einzelnen immer wieder einer Neueinschätzung unterzogen werden. Nach Meinung der Experten sind sehr viele Pestizide durch einfache Maßnahmen in der praktischen Landbewirtschaftung wie angepasste Fruchtfolgen und Bodenbearbeitung ersetzbar, womit viele Pestizide keine Daseinsberechtigung mehr hätten. Die alternativen Maßnahmen in der Landbewirtschaftung müssten aber ebenfalls nicht nur von der Gesellschaft gewünscht, sondern auch von der Politik entsprechend gefördert werden. Auch hier geht es um die Reduktion von Abhängigkeit, in diesem Fall von der chemischen Industrie.

    Es ist unerlässlich für das Gedeihen der zukünftigen Landwirtschaft, dass Humus aufgebaut und erhalten wird. Das geschieht v. a. durch Vielfalt in der Fruchtfolge, organische Düngung und eine angepasste sanfte Bodenbearbeitung. Das Förderwesen sollte sich daher auf diese Ziele konzentrieren und andere wie Investmentförderungen für Maschinen und Ställe hintanstellen, weil diese hauptsächlich dem Handel nützen.

    Die Bauern, Vertretern der Universität für Bodenkultur Wien und der Bio Forschung Austria glauben, dass die ausschließliche Berufung auf die Wissenschaft bei landwirtschaftlichen Fragestellungen keine befriedigenden Ergebnisse liefert. Es ist laut ihnen mit entsprechenden Geldmitteln fast alles wissenschaftlich beweisbar. Wissenschaftliche Studien, die von Firmen und Konzernen mit entsprechenden wirtschaftlichen Interessen finanziert werden, können nicht objektiv sein. Die Intelligenz der Bauernschaft wird weit unter Ihrem Wert geschlagen, wenn sie sich der vermeintlichen Autorität der Wissenschaft kritiklos unterwirft. Das schadet der eigenen Problemlösungskapazität. Mehr Augenmerk auf die Objektivität von nicht interessengesteuerten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Wohle von Mensch, Tier, Pflanze, Boden und Wasser im Landbau und vermehrt „on farm research“ bei den Bauern mit den Bauern wäre nötig.

    Die Tierhaltung von Hühnern, Schweinen und Rindern ist zwar gesetzlich geregelt, trotzdem vertreten die Experten die Meinung, dass einiges bei Zucht, Haltung und Fütterung zum Wohle der Tiere geändert werden soll, im Sinne der artgerechten Tierhaltung. Dabei ist vor allem der Konsument gefordert. Zum Beispiel wäre für ein kg Hühnerfleisch ca. das Doppelte zu zahlen, wenn das Leben dieses Huhnes von seiner Zeugung bis zum Tod „optimal“ verlaufen würde. Die Neuorientierung der Landwirtschaft wird ohne Zutun und Beitrag des Konsumenten nicht gelingen, denn der Bauer muss von seinem Beruf leben können.

    Die Expertengruppe weist vor allem darauf hin, dass alles Genannte im Besonderen in den Entwicklungsländern gilt. Dort sind bis zu 80% der Menschen von der Landwirtschaft abhängig und daher ist ihr Stellenwert noch ein ungleich höherer. Fehler in der Landbewirtschaftung führen deshalb viel schneller zu sozialpolitischen Katastrophen. Die Menschen dort wollen nichts anderes als vor Ort von ihren Landwirtschaften leben und flüchten nur in äußerster Not in höher entwickelte Länder. Man kann einiges dazu beitragen, ihre Situation im Heimatland zu verbessern, indem man sie berät und mit Ihnen kooperiert ohne in erster Linie Geschäftsinteressen zu verfolgen.

    Im Großen und Ganzen ist man sich einig, dass es bei der „Neuausrichtung der Landwirtschaft“ um ein permanentes kritisches Hinterfragen und Korrigieren von Abhängigkeiten der Landwirtschaft von Handel, Politik, chemische Industrie und Wissenschaft, die - nicht immer mit lauteren Mitteln – vorgeben zu wissen, was für die Landwirtschaft der Zukunft gut ist und dabei aber den eigenen Vorteil im Auge haben.

    Dieses System der Abhängigkeiten zu durchbrechen und schrittweise abzubauen bedeutet aber vermehrt Eigenverantwortung zu übernehmen und die Gesellschaft, das heißt die Konsumenten, in diese miteinzubeziehen.”



    Teilgenommen an der Erstellung des Manifests hat der Vorstand des Verbands biologischer Ackerfrüchte mit Alfons Piatti, Peter Krischke, Michael Piatti-Fünfkirchen, Johannes Niedermayer, Robert Harmer, Andreas Schmid, Arthur Schmidt und Georg Thurn-Vrints. Außerdem der Obmann des Demeterbunds Österreich, Andreas Hörizauer, Thomas Lindenthal von der Universität für Bodenkultur Wien und Ludwig Maurer, der Obmann von Bio Forschung Austria.

    Quelle: Biorama
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